Bäume und ihre Kraft
„Nichts ist für mich mehr Abbild der Welt und des Lebens als der Baum. Vor ihm würde ich täglich nachdenken, vor ihm und über ihn…“
Christian Morgenstern (1871-1914)
Sie sind fest mit der Erde verbunden und dennoch scheinen ihre Äste nach den Sternen zu greifen. Manch einer ragt schlank in den Himmel hinauf, andere dominieren mit starkem Wurzelwerk und dickem, festen Stamm die Landschaft. Sie erfreuen uns, wenn sie im Frühling in Blüte stehen, nähren uns im Sommer mit ihren Früchten, um sich in der kalten Jahreszeit in eine Ruhephase zu begeben. Sie bieten Schutz und Schatten und dienten den Menschen in der Vergangenheit als Stätten der Versammlung. Ihrem Holz verdanken wir wärmendes Feuer und es ist uns wertvolles Baumaterial – für Wiege, Haus, Bett und Sarg.
Den Kelten und Germanen waren die Bäume und der nach ihrem Glauben in den Bäumen lebendige Geist ausgesprochen wichtig. In heiligen Wäldern lebten die Druiden. Sie waren eng mit der Pflanzenwelt verbunden, die sie über Jahrzehnte genauestens beobachten und studieren mussten, bevor ihre langjährige Ausbildung als abgeschlossen galt. Ihre Lehrer waren die Natur selbst und der reiche Erfahrungsschatz der anderen Druiden. Doch nicht nur für die Waldweisen spielten die Pflanzenwelt im Allgemeinen und die Bäume im Besonderen eine große Rolle. Auch das Volk lebte eng mit der Natur und ihrem Zyklus verbunden – im Alltag bei Aussaat und Ernte oder für die Gewinnung pflanzlicher Heilmittel. Bäume dienten als Versammlungsort und Richtplatz, aber auch für Feste und Rituale wurde aus der Natur geschöpft.
Auch wenn die wenigsten von uns noch so naturverbunden leben wie unsere Vorfahren, so können wir doch die Kraft der Bäume spüren. Wenn wir einen Naturspaziergang machen, auf das Rauschen der Blätter lauschen und uns der Natur zuwenden, ihren Wandel verstehen, dann wird sich auch die Natur uns öffnen und uns ihre Weisheit lehren.
Kraftbäume
Die Bäume waren unseren Vorfahren im Alltag spirituelle Ratgeber, Lehrer und galten zum Teil als Heilpflanzen. Die Kelten kategorisierten ihre Bäume nach gesellschaftlichen Kriterien und unterteilten sie in Häuptlingsbäume und Bauernbäume. Für das Fällen von Häuptlingsbäumen, denen eine besonders starke Macht zugeschrieben wurde, waren harte Strafen bis hin zur Todesstrafe beim Fällen eines Hasel- oder Apfelbaumes verhängt. Viele Bräuche und Rituale rankten sich um bestimmte Bäume, die sich zum Teil bis heute erhalten haben.
Von der besonderen Beziehung der Kelten und Germanen zu den Bäumen zeugt auch das Baum-Alphabet Ogham. Die Druiden schnitzten, was sie als das „Raunen“ (runa – Runen)der Götter vernahmen, in die Rinde von ihnen heiligen Hölzern wie Buche, Esche oder Eberesche und färbten die Zeichen anschließend mit Blut, um ihnen Leben einzuhauchen.
Für die Kelten waren Pflanzen keine unbeseelten Gebilde. Auch bei den Bäumen war für sie das sichtbare Äußere die bloße Hülle, der Körper. Jeder Baumart und jedem einzelnen Baum sollte ein ganz bestimmter Geist mit einer ganz bestimmten Kraft und großer Ausstrahlung innewohnen, die auch als Amulett getragen wirken sollte.